Einen ganzen Tag lang steht die geplante Reform im Fokus der politischen Arbeit – Stefan Schwartze in Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus der Praxis vor Ort
Kreis Herford/Bad Oeynhausen. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause hat sich der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Herford und die Stadt Bad Oeynhausen, Stefan Schwartze, einen Tag lang ausschließlich dem Thema Kindergrundsicherung gewidmet. Zu diesem Zweck traf sich Schwartze mit Vertreterinnen und Vertretern vom städtischen Jugendamt und dem Sozialamt der Stadt Herford, der Kita Ottelau des Deutschen Roten Kreuzes in Herford, der Kita Bad Oeynhausener Schweiz der Johanniter sowie des Kinderschutzbundes in Bünde.
Erste Station des Tages war der Besuch der Kita Ottelau des DRK in Herford. Empfangen wurde der Bundestagsabgeordnete durch die Vizepräsidentin des DRK-Landesverband Westfalen-Lippe, Nilgün Özel, sowie Ralf Hoffmann (Geschäftsführer DRK Herford Stadt) und der Kita-Leitung Jasmin Gast und Anna-Marillna Schäfer (stellv.). Vorgestellt wurde der Hilfe-Fonds „SofHi“ (Soforthilfe für benachteiligte Kinder), den der DRK-Landesverband Westfalen-Lippe ins Leben gerufen hat. Er soll dazu dienen, schnelle und unbürokratische Unterstützung für Projekte zu gewähren, die sich um benachteiligte Kinder kümmern. Hier schilderte Hoffmann Beispiele, wie, wenn Eltern Geld für Schwimmkurse fehle oder aufgrund der hohen Beiträge eine Teilnahme der Kinder nicht leistbar ist. „Wenn Dinge durch staatliche Hilfe nicht gedeckt sind, dann könne der Fonds beispringen und die Kosten übernehmen“, betonte Hoffmann. Gefördert werden dabei nur Gruppen, eine Einzelförderung ist nicht vorgesehen. So ist man dann auch schnell beim Thema Kindergrundsicherung.
Hoffmann schlägt die Einführung von Verfahrenspflegern vor für Fälle, in denen das Geld bei den Kindern nicht ankommt. Diese könnten z.B. vom Jugendamt bestimmt werden, ähnlich wie in Scheidungsfällen. Letztlich sei „die Grundsicherung nicht nur das Geld“, so der DRK-Geschäftsführer, sondern sie umfasse auch alle anderen Bedürfnisse des Kindes, beispielsweise Bildung und Teilhabe. In gewisser Weise gehe es um „Kindergrundbedürfnisse“, die sich natürlich noch einmal fundamental von Bedürfnissen Jugendlicher und Erwachsener unterscheiden. Für Stefan Schwartze, der sich schon seit Jahren für eine Kindergrundsicherung stark macht, sind die Hinweise und Vorschläge eine Bestätigung. Die Kindergrundsicherung ist richtig und sinnvoll, jedoch muss sichergestellt sein, dass Geld und Unterstützungsangebote auch bei den Kindern ankommen. Für die Rückmeldung aus der Praxis vor Ort ist er dankbar, betont der Bundestagsabgeordnete, denn sie helfe ihm in der politischen Auseinandersetzung in Berlin. „Aus diesem Grund führe ich Gespräche mit den Praktikerinnen und Praktikern vor Ort – sie liefern mir die Argumente für meine Arbeit im Parlament“, begründet er die Idee dieses Thementages.
Die nächste Station auf dem Weg des Thementages war ein Gespräch im Rathaus der Stadt Herford. Begrüßt vom Beigeordneten Patrick Puls, schilderten die Leiterin des Jugendamtes, Tanja Stölting, ihre Stellvertreterin Carolin Aring sowie Frank Holtmann als Leiter des Sozialamts Herford anhand ihrer Erfahrungen aus der Praxis die für sie wichtigen Punkte einer Kindergrundsicherung. Bezüglich der Ausgestaltung wurde betont, dass es wichtig sei, dass Leistungen nicht mit dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet, sondern gezielt erbracht werden. Außerdem sollten sich bestimmte Leistungen an bestimmte Standards orientieren, wie z.B. die Inanspruchnahme frühkindlicher Bildungs- und Präventionsangebote. So kann sichergestellt werden, dass Gelder, die für das Kind bestimmt seien, auch dem Kind zugutekommen und es werde auch eine gewisse Lenkungswirkung erreicht. Der Beigeordnete Patrick Puls begrüßt die Idee, künftig staatliche Leistungen an die Steuer-ID zu knüpfen und online verfügbar zu machen, wie es in anderen Ländern längst schon möglich ist. Hierzulande müssten sich die Menschen hingegen für jede Leistung unterschiedlich zuständiger Leistungsträger eigene Zugänge mit separaten Aktenzeichen und Nummern verschaffen, persönliche Angaben und Daten, die an unterschiedlichen behördlichen Stellen bereits vorliegen, sind immer wieder neu vorzutragen und nachzuweisen und man muss sich im Regelfall für jede Leistung aufwändiger Einzelprüfungen unterziehen – weit weg von der Idee der Leistungen aus einer Hand. Und besonders wichtig war den Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Herford, dass die Kindergrundsicherung dabei helfen soll, Stigmatisierung zu vermeiden. In der Vergangenheit gab es immer wieder Situationen, wo für Dritte erkennbar war, dass ein Kind, bzw. deren Eltern staatliche Leistungen bezieht, und sei es auch nur durch ein besonders farbenprächtiges Formular, dass das Kind abzugeben hatte. Dieser Makel, so die Hoffnung, lasse sich vermeiden und diskreter regeln, erst recht im Zuge der Einführung der Kindergrundsicherung, die dann ja alle Kinder bekämen. Für Schwartze eine wichtige Anregung, die er nicht nur für sinnvoll, sondern notwendig hält.
Dritte Station auf der Tour zum Thementag Kindergrundsicherung war der Besuch beim Kinderschutzbund in Bünde. Auch hier haben es die ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützer sowie hauptamtlichen Fachkräfte mit einem sehr differenzierten Spektrum an familiären Hintergründen zu tun. Begrüßt wurde Schwartze von Martina Kmosch, Vorstandvorsitzende des Kindeschutzbundes in Bünde, Doris Clöer, Anette Hartwig (beide im Vorstand) sowie von Martina Vögeding, Sozialpädagogische Leitung. Aus Sicht des Kinderschutzbundes sind zwei Aspekte bei der Einführung der Kindergrundsicherung wichtig. Für die ehrenamtlichen, wie auch hauptamtlichen Kräfte ist eine bessere strukturelle Förderung von großer Bedeutung. Auf der einen Seite sind mehr pädagogische Fachkräfte notwendig, um die Aufgaben des Kinderschutzbundes weiterhin vollumfänglich leisten zu können. Insbesondere auch eine größere finanzielle Förderung für die Fachkräfte, um langfristig dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen zu können. Auf der anderen Seite ist es aus Sicht des Vorstandes geboten, mehr Aufklärung für Eltern zu betreiben, damit sie wissen, welche Angebote für ihre Kinder existieren und welche Angebote oder Förderungen ihnen zustehen. Dies könne beispielsweise in Form eines „Elternführerscheins“ erfolgen, der Eltern über bestehende Angebote und Fördermöglichkeiten vollumfänglich informiert.
Auch für Stefan Schwartze ist es ein wichtiges Ziel, hier mehr Aufklärung zu betreiben. „Wenn gute und sinnvolle Angebote für Kinder und ihre Eltern existieren, davon aber niemand weiß oder der Weg dorthin zu kompliziert ist, dann nützen solche Angebote wenig oder gar nicht. Dass ist weder im Sinne der Politik, die solche Angebote fördert oder bereitstellt, noch im Sinne unserer Gesellschaft, die dann gegebenenfalls die negativen Auswirkungen tragen muss. Die Einführung der Kindergrundsicherung kann da eine Chance sein, zu vereinfachen, aber auch gleichzeitig besser aufzuklären“.
Die letzte Station des Tages führte nach Bad Oeynhausen in die Johanniter-Kindertageseinrichtung „Oeynhausener Schweiz“. Begrüßt wurde Stefan Schwartze dort von Jessica Bogdan (Einrichtungsleitung), Marion Gärtner (Fachbereichsleitung Kita & OGS) sowie von Frau Natalie Fuhrmann (Fachkraft in der Einrichtung).
Einige der bekannten Aspekte des Tages kamen hier erneut zur Sprache, wie beispielsweise der Fachkräftemangel, die finanzielle Ausstattung und die Förderung der Einrichtungen. Ein neuer Gesichtspunkt war die Idee, für verlässliche, zustehende Leistungen bei Personengruppen zu sorgen, die knapp oberhalb von Grenzwerten oder Bemessungsgrenzen liegen. Beispielsweise kann es passieren, dass Eltern durch ein schwankendes Einkommen eine Beitragsbemessungsgrenze regelmäßig knapp überschreiten und deshalb kein Essensgeld für ihre Kinder bekommen, bzw. dieses selbst tragen müssen. Für die Kita entsteht dadurch ein hoher Verwaltungsaufwand, der mit der eigentlichen Aufgabe der Kita aber wenig zu tun hat. Hier wünscht sich die Kita eine Vereinfachung, sowohl für die Eltern als auch in der Konsequenz für die Kitas und weitere Einrichtungen mit ähnlichen Betroffenheiten. Auch hier sieht Schwartze Chancen im Zuge der Einführung der Kindergrundsicherung.
Als Fazit des Tages stellt Schwartze fest: „Viele Aspekte, die eine Einführung der Kindergrundsicherung betreffen würden, wurden heute besprochen, diskutiert, hinterfragt. Einiges davon begegnet mir seit Monaten oder sogar Jahren, wie beispielsweise das Thema ‚Fachkräftemangel‘. Andere Aspekte und Ideen konnte ich heute neu kennenlernen oder vertiefen. Obwohl ich mich seit Beginn meiner Zeit im Bundestag, also seit fast 14 Jahren, mit dem Themenbereich Kinder- und Jugendpolitik intensiv auf Bundesebene auseinandersetze, ist der Austausch mit Expertinnen und Experten und die Rückkopplung an die Basis vor Ort unverzichtbar für mich. Ein Gesetzesvorhaben kann noch so gut gemeint sein, am Ende können nur diejenigen, die es am Ende betrifft, beurteilen, ob gut gemeint auch gut gemacht ist. Darum bin ich allen Beteiligten dankbar, dass sie mir heute diesen Austausch ermöglicht haben“.